Biorespect - Wir hinterfragen Biotechnik

Forschung am Menschen: Revision der Gesetzgebung

Bis Mitte August lief die Frist für die Vernehmlassung zur «Revision Ausführungsrecht HFG». Anhand der Überarbeitung von gleich vier Verordnungen versucht der Gesetzgeber zwei hochrangigen Rechtsgütern gerecht zu werden: der Forschungsfreiheit einerseits und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen andererseits. Diese Abwägung fiel schon bei der Ausgestaltung des Humanforschungsgesetzes HFG, seit 2014 in Kraft, eher zugunsten der Forschung aus. Auch mit der jetzt vorgelegten Revision der Verordnungen bleiben viele Fragen offen. Wesentliche Punkte bleiben auch weiterhin nur unzulänglich geregelt. Insbesondere die Aufklärung der Proband:innen, die Einwilligung in die Weiterverwendung der Daten für andere Forschungszwecke und der Umgang mit biologischem Material werden nicht zufriedenstellend geregelt. 

Evaluierung zeigt problematische Regelungen auf

Bereits in 2019 hat das Bundesamt für Gesundheit, BAG einen Bericht über die Evaluierung des Humanforschungsgesetzes vorgelegt. Im Bericht werden mehrere Punkte aufgezeigt, wo der Gesetzgeber nachbessern müsse oder wo die gesetzliche Regelung in der Praxis nicht so gehandhabt wird, wie im Gesetz vorgesehen. Bereits während der Debatten vor der Ausgestaltung des Humanforschungsgesetzes hat biorespect in einer ausführlichen Stellungnahme auf zentrale Schwachstellen im Gesetz hingewiesen. Dies betrifft vor allem die Form der Einwilligung in die Verwendung der Daten, den Umgang mit personenbezogenen Gesundheitsdaten und biologischem Material, die unzureichende Aufklärung und Information der Proband:innen und die mangelnde Transparenz. Das BAG hat in seinem Bericht Empfehlungen erarbeitet, die nun über die Verordnungen Eingang in die Gesetzgebung finden sollen. Dabei werden die Empfehlungen aus der Evaluation aber nicht konsequent umgesetzt, so dass es weiterhin zu Regulierungslücken oder unzulänglichen Ausführungen kommt. 

Generaleinwilligung: Kontrolle nicht möglich

Im HFG ist ein sogenannter Generalkonsent vorgesehen. Das heisst, dass die betroffene Person zustimmt, dass die Daten oder das biologische Material, dass die Person zur Verfügung stellt, auch für andere Forschungsprojekte weiter verwendet werden kann ohne, dass es hierfür einer weiteren Zustimmung bedarf. Wie dem BAG-Bericht zu entnehmen, kommt es in der Praxis zu einer unzulässigen Ausweitung der Einwilligung. So wird der Generalkonsent auch auf Daten und Proben ausgedehnt, die erst in zukünftigen Konsultationen gewonnen werden können. Die betroffene Person hat keine Kontrolle mehr, wofür und von wem die zur Verfügung gestellten Daten verwendet werden. Das Recht auf Widerspruch kann so nicht länger in Anspruch genommen werden. 

Problem bleibt ungelöst

Neu sollen die betroffenen Personen nun mindestens alle zwei Jahre auf ihr Widerspruchsrecht hingewiesen werden. Damit soll mehr Transparenz über die Verwendung der Daten hergestellt werden. Ausserdem verspricht sich die Forschung durch den laufenden Kontakt mit den betroffenen Personen einen besseren Zugang zu weiterem Datenmaterial. Das Grundproblem der Generaleinwilligung wird so aber nicht gelöst. Die betroffenen Personen bleiben weiterhin im Unklaren, wofür ihre Daten und Proben verwendet werden. biorespect hält die Generaleinwilligung nach wie vor für ungeeignet um die Persöhnlichkeitsrechte zu wahre. Die betroffenen Personen müssten vielmehr zumindest davon in Kenntnis gesetzt werden, wie und für welchen Zweck ihre Daten und Proben weiterverwendet werden. Nur so kann das Recht auf Widerspruch gewahrt bleiben. 

Information und Aufklärung mangelhaft

Proband:innen werden in der Praxis häufig nur mangelhaft über die Verwendung ihrer Daten und Proben aufgeklärt, zu dem Ergebnis kommt auch die Evaluation. Das, was kritische Stimmen, unter anderem auch biorespect, schon vor Jahren bemängelt haben, stellen die Verantwortlichen immerhin jetzt auch fest. Die Aufklärung erfolgt oft nicht dem Laienverständnis angepasst. Die Tatsache, dass bei einer Untersuchung auch sogenannte Überschussinformationen auftreten können, wurde bisher in der Aufklärung komplett vernachlässigt. Neu müssen Proband:innen nun darüber aufgeklärt werden, dass solche Informationen, die auch gesundheitsrelevant sein können, als Nebenprodukt auftauchen können. Die betroffenen Personen müssen sich frei entscheiden können, ob sie solche Informationen erhalten wollen oder nicht. 

Recht auf Nichtwissen nicht gesichert

Insbesonders bei der Gewinnung genetischen Materials können ungeplante Informationen anfallen, die nicht nur die Person selber sondern auch enge Verwandte betreffen können. Nun soll geregelt werden, dass die betroffene Person zwar darüber aufgeklärt werden muss, dass solche Informationen auftauchen können, allerdings findet der Gesetzgeber keine Lösung, wie die Rechte von Familienangehörigen gewahrt bleiben sollen. Das heisst, dass zwar die Person, von der die Daten stammen, möglicherweise ihr Recht auf Nichtwissen in Anspruch nehmen kann, für betroffene Angehörige ist dies aber nicht gewährleistet. Hier muss noch dringend nachgebessert werden. 

Umgang mit sensiblen Daten

Der Umgang mit personenbezogenen Gesundheitsdaten und biologischem Material wird auch mit der Revision der Verordnungen nicht besser geregelt. Durch die Digitalisierung wird es immer schwieriger, für einen hinreichenden Schutz der Daten zu sorgen. biorespect hat schon vor Jahren darauf hingewiesen, dass eine Anonymisierung sensibler Daten nicht gewährleistet werden kann. Inzwischen hat das auch der Gesetzgeber erkannt. So müssen Proband:innen jetzt neu darauf hingewiesen werden, dass eine Rückverfolgung möglich sein kann. biorespect fordert daher, dass der Umgang mit pseudo-anonymisierten Daten ebenso streng geregelt werden muss, wie mit offenen Daten. 

Grundsätzliche Änderung gefordert

Zwar werden mit der Revision der Verordnungen nun einige Punkte aufgegriffen und teils auch geregelt. Es stellt sich die Frage warum die Änderungen über das Verordnungsrecht stattfinden und nicht das Humanforschungsgesetz selbst angepasst wird. Wir bezweifeln, dass die jetzt vorgesehenen Änderungen geeignet sind, den Schutz von Personen, die ihre Daten und Proben der Forschung zur Verfügung stellen, ausreichend zu sichern. Der Wunsch der Forschung nach mehr Daten ist nachvollziehbar. Gleichwohl sollten hochrangige Rechtsgüter, wie der Schutz der Persönlichkeitsrechte einen hohen Stellenwert einnehmen. Wir fordern daher den Gesetzgeber auf, die Regelungen über die Forschung am Menschen streng zu fassen.